Wiesbadener Kurier · Von Lena Witte
Seit 20 Jahren gibt es in Wiesbaden das Zentrum für ambulante Palliativversorgung. Wie es dafür sorgt, dass Patienten bis zum Tod in ihrer vertrauten Umgebung bleiben können.
Wiesbaden. Was braucht es, um am Ende des Lebens in Ruhe Abschied nehmen, in Geborgenheit und Würde in vertrauter Umgebung sterben zu dürfen? Damit beschäftigen sich Experten des Zentrums für ambulante Palliativversorgung (ZAPV) Wiesbaden seit nunmehr 20 Jahren.
Sie haben sich darauf fokussiert, es schwer kranken Menschen möglich zu machen, bis zum Schluss zu Hause gut versorgt zu werden und deren Angehörigen zu unterstützen. Vor 20 Jahren, sagt der Anästhesist und Palliativmediziner Thomas Nolte, habe er „Not und Elend“ in der palliativen Versorgung schwer kranker Patienten gesehen. Patienten, die mit schwerer Krebserkrankung immer wieder ins Krankenhaus eingewiesen worden seien, weil ihnen vor Ort nicht adäquat geholfen werden konnte. „Tod und Sterben war kein Thema. Sterbende sind in der Klinik oft ins Bad geschoben worden“, weiß auch Mechthilde Burst, die gemeinsam mit Nolte das ZAPV gegründet hat. Im häuslichen Bereich seien Schwerkranke und Sterbende und ihre Bedürfnisse schlicht nicht wahrgenommen worden.
Das wollten die Mediziner ändern und haben nicht nur den Hospizverein Auxilium ins Boot geholt, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschickt hat, um schwer Kranke auch nachts zu Hause zu versorgen. „Sterben passiert nicht nur in Krimis, sondern auch hier in Wiesbaden“, sagt Mechthilde Burst, „aber nicht immer unter menschenwürdigen Umständen.“ Es gab viel zu tun in all den Jahren, um Lebensqualität zu erhalten, den Menschen Tage zu schenken, die mit Leben, mit schönen Dingen und guten Gefühlen, erfüllt sind. Das Hospiz-Palliativ-Netz wurde 2004 gegründet – ein Zusammenschluss ehrenamtlich im Verein Engagierter, die ebenfalls dabei helfen wollen, hospizlich-palliative Unterstützung zu finden.
Palliativversorgung in Wiesbaden zu Hause möglich
Nolte hat ein Konzept für eine Palliativversorgung zu Hause entwickelt, das als Pilotprojekt in Wiesbaden und Fulda umgesetzt worden ist, allerdings vorerst nur für Versicherte der Techniker Krankenkasse. Das sollte sich ändern: Sein Konzept diente als Blaupause, als die Bundesregierung im Fünften Buch des Sozialgesetzbuches eine ambulante Palliativversorgung verankert hat.
Beim Zentrum für ambulante Palliativversorgung melden sich Patienten und Angehörige, aber auch Altenheime, die die häusliche Versorgung auf stabile Beine stellen wollen. Die 45 Mitarbeiter unterstützen Menschen mit lebensbegrenzender, weit fortgeschrittener Erkrankung. Also zum Beispiel mit einer Tumorerkrankung, Demenz, ALS oder andere, multifaktoriell erkrankte Menschen, die nicht mehr ins Krankenhaus möchten. Das Team hilft bei Beantragungen von Hilfsmitteln, weiß Katrin Staab-Martini, Geschäftsführerin und Gesellschafterin des ZAPV. „Wir kommen und kümmern uns“, erklärt sie, dass das Team auch beratend tätig ist, wenn es darum geht zu überlegen, was zu tun ist, wenn sich der Zustand verschlechtert. Damit auch im Notfall klar ist, wie ein Patient behandelt werden möchte, hat das ZAPV den so genannten Palliativpass herausgegeben. Darin werden Vorerkrankungen und Behandlungswünsche festgehalten, die dem Notarzt Orientierung geben sollen. Der Pass ist als Ergänzung einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht gedacht und soll eine Überversorgung am Lebensende vermeiden, erklärt Nolte. „Seit 2014 haben wir bereits mehr als 1000 Palliativpässe ausgestellt“, sagt Staab-Martini. Darin ist auch ein Kontakt des ZAPV vermerkt, wenn der Patient dort Hilfe gesucht hat, so dass immer jemand zu erreichen ist, der über den Patienten Bescheid weiß.
„Wir sind rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr einsatzbereit“, erklärt Staab-Martini. Es würden laufend rund 75 bis 90 Patienten mit einer Verweildauer von rund 20 Tagen betreut. Im Jahr zähle das ZAPV etwa 1500 Patienten. „Die Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.“
„Wir wünschen uns eine frühe Integration, um Patienten Sicherheit geben zu können“, sagt Burst. „Da kann man nichts mehr machen“ – ein solches Urteil lässt das ZAPV nicht gelten. „Wir können neue Perspektiven aufbauen“, will Nolte Betroffenen Mut machen. Der Fokus soll auf der Lebensqualität und den Wünschen der Patienten liegen, die symptomfrei und unbelastet von Bürokratie leben können sollen. Zu Hause, im Heim oder Hospiz bis zum Schluss umsorgt sein, das möchte das ZAPV ermöglichen. Burst erzählt, wie es eine Patientin geschildert habe: „Das ist wie Urlaub vor dem Sterben.“
Lena Witte